Vom Rebschnitt über die Laubarbeiten bis hin zur Lese – viele einzelne Arbeitsschritte des Wengerters erfordert es, bis die Trauben im Herbst in die Kelter eingefahren sind. Ein altes Sprichwort sagt: "Der Wengert will jeden Tag seinen Wengerter sehen". Doch in den terrassierten Steillagen des Mittleren Enztals steckt deutlich mehr Historie als "nur" das eine Weinbau-Jahr. Eine Reise durch die Erdgeschichte:
Vor rund 235 Mio. Jahren lag über uns ein großes tropisches Urmeer. Dieses riesige Gewässer bildet die Grundlage von allem, was wir heute in der Weinsprache wohlklingend als unser "Terroir" bezeichnen: den Muschelkalk. Vor 2 Mio. Jahren verlief die Enz noch gut 100 Meter über dem heutigen Flusslauf. Durch den harten Muschelkalk hat sich die Enz in den vergangenen Jahrtausenden einen mäandernden weitläufigen Weg gebahnt. Die daraus entstandenen südausgerichteten Prallhänge waren über Jahrtausende bewaldet und nicht kultiviert.
Bereits vor 2000 Jahren hat der Wein im Enztal Einzug gehalten. Allerdings noch als Import-Ware, die über die Alpen oder das Rheintal den Weg nach Süddeutschland gefunden hat. Viele Überreste von mehreren "Villae Rusticae", den Gutshöfen der Römer, zeigen, dass das Enztal schon damals eine fruchtbare und l(i)ebenswerte Region war. Doch erst im 8. Jahrhundert wurde der erste Weinbau in der Region erwähnt, damals noch in den Talniederungen. Erst um die erste Jahrtausendwende wurden die Steillagen, in mühevoller Handarbeit und über Generationen hinweg, gerodet, mit Trockenmauern terrassiert und mit Reben bepflanzt. Nicht nur die warmen und qualitätsstarken Südhänge, auch die schattigen Nordhänge waren damals Weinbaufläche. Grund für den Weinbau in der Steillage war nicht – wie man vermuten könnte – das Qualitätsstreben zur damaligen Zeit, vielmehr hat eine Warmzeit zu einem raschen Anstieg der Bevölkerung geführt und Platz für Wohnraum und Ackerflächen in den Talauen gefordert. Der Höhepunkt des Weinbaus im Enztal war wohl um 1600, als die Rebfläche in den Steillagen gut 120 Hektar betrug, gut viermal so viel wie heute, bevor der 30-jährige Krieg und die Pest den Weinbau fast zum Erliegen gebracht haben.
Dem "Lebensmittel" ist das "Genussmittel" Wein gefolgt. Übriggeblieben sind die qualitativen und frostsicheren Südlagen entlang der Enz.
Schon immer war der Weinbau in den Steillagen ein Gemeinschaftsprojekt. Nur zusammen konnte die architektonische Meisterleistung der zusammenhängenden Trockenmauern erbracht und erhalten werden. Seit 1935 sind die Wengerter der Region in unserer Genossenschaft organisiert und kümmern sich gemeinschaftlich um Ausbau und Vermarktung der eigenen Trauben. Mit dem Steillagenkollektiv wird nun die Geschichte weitergeschrieben und die terrassierten Steillagen werden auf eine breite solidarische Basis gestellt. Werde Teil dieser einzigartigen Kulturlandschaft!